Knapp 1.500 Aufrufe in 30 Minuten. 61 Anfragen über die Immoscout-Seite. 8 Besichtigungen auf zwei Tage verteilt. Der Makler hat Wort gehalten und lädt uns als letzten von 8 Terminen zur Besichtigung ein.
In den Tagen bis zur Besichtigung versuche ich mit Google Maps eine Vorstellung von den Außmaßen des Grundstücks zu bekommen. Und ich bin einfach überwältigt. Im Verhältnis zu den eingezeichneten Grenzen ist das Haus winzig und der eigene Wald RIESIG. Als wir es gar nicht mehr aushalten können, fahren wir in die Nähe der Adresse und spazieren durch den Wald. Aufgrund meiner Satelitten Recherche weiß ich ziemlich genau, wo sich das Haus befinden muss. Doch obwohl der Wald zu dieser Jahreszeit noch nicht in voller Blüte steht, kann man durch die Bäume hindurch nichts erkennen. Zudem ist es recht hügelig, was sich in der Anzeige gar nicht erkennen ließ.
Als wir an dem Privatweg ankommen, biegt dort ein Fußgängerpärchen ein. Wir werden ganz nervös. Wir wissen, dass die Eigentümerin nicht will, dass man vor der Besichtigung an dem Grundstück erscheint. Zu heilig ist ihr dieser Ort. Waren das nun ebenfalls Interessenten, die sich gerade auf den Weg zu eben genau diesem machen? Bingo, dann sind die schonmal aus dem Rennen. … Oder war es vielleicht sogar die Eigentümerin, die uns neugierig umherirrenden Großstädtern ausgerechnet jetzt über den Weg läuft? Bingo, dann sind wir selbst schonmal aus dem Rennen.
Der Ort strahlt eine wohlige Energie aus.
Eine Woche später machen wir uns nun offiziell und mit Erlaubnis auf den Weg zum Haus. Gestern haben wir erfahren, dass ein Interessent bereits abgesagt hat und wir sind somit eine Stunde früher dran. Auf der Straße entlang des Waldes beginnen wir mit unserer ersten Videoaufnahme. Diese würde, sollte das alles hier positiv für uns ausgehen, der Anfang einer groß angelegten Youtube-Haussanierungs-Heimwerkerking-Story sein.
Als wir mit dem Wagen über den Waldboden fahren, befinden wir uns urplötzlich in einer ganz anderen Welt. Ich habe mir den Weg mit einer deutlichen Fahrspur auf einem verfestigten Untergrund vorgestellt. But not! Man kann vor Laub kaum eine Richtung erkennen. Der Wagen wird durch hochstehende Wurzeln und tiefe Löcher von links nach rechts geschaukelt. Nach gefühlten 5 Minuten Schritttempofahrt taucht vor uns eine dichter als die anderen Bäume stehende Tannengruppe auf. Durch die Zweige blitzt hier und da das leuchtend grüne Haus auf. Links an den Tannen vorbei kann man in das abschüssige Grundstück schauen und sieht einen der Schuppen. Wir parken vor der Hofeinfahrt und steigen schüchtern aus. Sofort umgibt uns eine “Wohlfühl-Energie”, die man aus dem Urlaub kennt, wenn man an nichts anderes denkt außer an: schön!
Der Makler ist gerade noch mit den Bewerbern vor uns beschäftigt und zeigt uns an, an dem Garagenschuppen zu warten. Ich schaukle nervös von einem aufs andere Bein und schau mir verblüfft die Umgebung an. Steff und ich gucken uns an und beginnen synchron vor Glück innerlich zu weinen. Der Bereich, den wir von hier aus sehen können scheint nicht mal 1/5 der gesamten Fläche zu sein. Und ich bekomme fast schon Angst, den Anblick der anderen 4/5 vor Rührung nicht zu verkraften.
Das Pärchen vor uns verabschiedet sich und der Makler wendet sich uns endlich zu. Als erstes sagt er uns, dass die Eigentümerin aus emotionalen Gründen bei dieser und den anderen Besichtungungen nicht dabei ist. Sie hat 16 Jahre an diesem Ort gelebt und verlässt ihn nur sehr schweren Herzens. Ich kann das in diesem Moment mehr als verstehen.
Die heimelige Schönheit dieses Ortes ist nur schwer zu ertragen.
Zuerst gehen wir über das Grundstück, was einfach nicht mehr aufhören will. Vorbei an kleinen Sitzecken, wild angelegten Pflanzengruppen, den Hügel hinunter auf einen deutlich dichter mit Bäumen bewachsenen Bereich. Hier ist es teilweise sogar so steil, dass man im Winter eine richtige Rodelbahn hat. Generell besteht das Grundstück zu einer Hälfte aus dichterem Mischwald. Die andere ersteckt sich über eine Lichtung, auf der sich das Haus, die Schuppen und eine äußerst großzügige Rasenfläsche befinden. Der Schuppen im hinteren Bereich ist in drei Kammern unterteilt. In der einen befindet sich sogar eine Stallung für eine Ziege oder Hühner. Steffs Gedanken fahren Autoscooter und ihre Augen funkeln wie an Weihnachten.
Als wir in das Haus treten fällt mir sofort auf, dass die Fotos mit einem guten Weitwinkel geschossen sein mussten. Es ist und fühlt sich deutlich kleiner an, als gedacht. Es gibt keine wirklich offenen Stellen und in die Küche führen sogar VIER Türen. Ein neuwertiger Kamin steht neben der Tür zum Wohnzimmer. Doch aufgrund der Nähe zur Küche wäre dieser Raum besser als Esszimmer geeignet. Das relativ kleine WC hat ein zugeplanktes Fenster. Und das Bad ist aufgrund der Lage im Anbau nur sehr umständlich über die Küche zu erreichen. Es gibt auch einen (einzigen) Kellerraum. Der ist aber so eng, flach und klein … wollte man z.B. eine Kühltruhe hier unter bringen, müsste die hölzerne Kellertreppe demontieren werden, um die Truhe nach unten zu schaffen.
Ein idyllischer Balkon als i-Punkt auf dem i-Punkt
Im Obergeschoss tut sich dann ein übermäßig großes Schlafzimmer auf, das über einen an Idylle nicht zu übertreffenden Balkon verfügt. Ich meine, stell dich am Morgen im Bademantel auf einen nach südosten ausgerichteten Balkon. Schmecke die Waldluft und schau in das dich von allen Seiten umgebende Grün … wie kann sich dieser Gedanke nicht idyllisch anfühlen?! Sogar eine Gaube ist hier zu finden, die nochmal ordentlich Platz schafft, neben all den sonstigen Schrägen.
Es gibt dann noch ein Kinderzimmer und eine begehbare Abseite, die wohl als Dachboden-Ersatz gedient hat. Doch das war es dann auch schon. Alles in allem knapp 90 Quadratmeter – wie es zumindest im Expose stand. Dies sollte sich später nach eigener Vermessung noch deutlich reduzieren.
Als wir mit dem Rundgang durch sind, setzen wir uns zwischen zwei kleinen Teichen draußen in die so genannte Frühstucksecke. Allein dafür kann man sich schon in diesen Ort verlieben – eine dicke Eichenbankgarnitur, wie aus dem Snowboardurlaub in den Alpen. Ich hole meinen Zettel hervor und suche nach offenen Fragen. Doch ich stelle fest, der Makler hat während der Besichtigung bereits alle von mit notierten Big-Points beantwortet. Trotzdem lasse ich noch kurz raushängen, dass ich mich bereits im Vorfeld mit dem zuständigen Bauaufsichtsamt unterhalten habe. Doch ich begehe nicht meinen Lieblingfsfehler, in wirres Gefasele zu verfallen, nur um ein Gespräch am laufen zu halten. Dem Makler, dem wir sowieso aufgrund seiner lockeren Art irgendwie sympatisch zu sein scheinen, gefällt das sehr gut. Alles in allem verlief dieser Termin so perfekt, wie es nur sein konnte.
Wir haben ein gutes Gefühl
Am Ende überreichen wir dem Makler einen kleinen Blumenstrauß, den wir extra für die Eigentümerin mitgebracht hatten. Da sie aber nun nicht anwesend war, wollte er ihn ihr direkt im Anschluss überreichen. Denn er wollte sich schon in der nächsten Stunde mit ihr zur Auswertung der sieben Besichtigungen treffen. BÄM, unsere Blumen würden dabei auf ihrem Tisch stehen. Und nicht nur das. Als wir aus der Hofeinfahrt kommen, steht die Eigentürmerin bereits in ihrem Auto wartend zischen den Bäumen. Sie sieht zu, wie wir unsere kleine Tochter in den Wagen heben. Als sie kurz darauf an uns vorbei fährt, winken wir uns kurz zu. Ich starte den Wagen und fahre langsam wieder über den Privatweg rauf zur Straße. In diesem Moment überkommt uns ein unfassbar tiefes Gefühl demütiger Freude und Steff und ich fangen an zu weinen.