Nach Hause kommen

Jeder Umzug in eine neue Wohnung fühlt sich für mich seltsam an. Seltsam neu. Seltsam aufregend. Ja manchmal sogar seltsam unbehaglich. Steff und ich sind in unserem Leben schon oft umgezogen. Vom kleinen Dorf in die nächst größere Stadt. Immer weiter. Am Ende dann in die Großstadt – in die schönste Stadt der Welt.

Jedes mal hatten wir die alte Wohnung noch lange in Erinnerung. Bei unserem letzten Umzug hatte Steff sogar die ersten zwei Wochen richtig Probleme, mit der neuen Umgebung klar zu kommen. Obwohl die neue Wohnung und der Ort das Ende einer immer höher steigenden Lebensqualität zu sein schien, waren wir doch die Neuen. Jemand anderes hatte zuvor hier gewohnt und jetzt kamen wir und die Geister in den Wänden mussten wir erst einmal kennen lernen – oder auch umgekehrt.

Auf dem Weg zur Schlüsselübergabe

Heute machen wir uns nun auf zur Schlüsselübergabe. In den letzten Wochen waren wir schon ein paar mal am Grundstück gewesen. Jedes Mal tauchten wir ein, in eine besondere, ganz andere Welt. Doch jedes Mal waren wir auch nicht allein. Die vorherige Eigentümerin ist eine sehr sensible aber dennoch souveräne und vor allem direkte Person. Bei jedem unserer Treffen versuchten wir den richtigen Ton zu finden; sie mit keiner Frage zu belästigen. Doch immer wieder gab es Momente, in denen in ihren Antworten ein Hauch von Kritik und Ablehnung zu hören war.

Kurz bevor wir heute wieder auf den Privatweg in den Wald abbiegen, sieht Steff im Whats App Status der Vorbesitzerin ein aktuell aufgenommenes Bild vom Haus mit den Worten “Danke für die sehr schönen und lehrreichen Jahre.” Urplötzlich schießen uns die Tränen in die Augen. War das doch die emotionalste Zeile, die wir je von ihr vernommen haben. Dazu das Bild von dem in der Sonne leuchtenden Waldhaus. Wir fahren bereits durch den Wald und können nicht aufhören zu weinen. Als wir vor dem Grundstück aus dem Auto steigen, steht sie noch an der Stelle, an der sie kurz zuvor das Foto gemacht hat und wir gehen ihr mit Tränen in den Augen entgegen. Wir begrüßen und schauen uns an, und ich erkenne, dass auch sie gerade geweint haben muss. In diesem Moment sind wir auf eine seltsame Weise miteinander verbunden. Als würde das Haus uns gemeinsam bei den Händen halten und einen Schwur aussprechen …

27 Schlüssel und zwei Zahlen

In diesem Moment fährt der Makler auf den Hof und platzt mit seiner heiteren Art in die Runde. “Huch, was ist mit ihnen denn los?” Er sieht, dass alle noch feuchte Augen haben. Doch ab da ist der sentimentale Knoten geplatzt und wir beginnen mit der Übergabe. Wir gehen jeden Raum des Hauses ab. Doch an keiner Stelle gibt es etwas zu erklären. Auf eine besondere Art kennen wir das Haus schon in und auswending. Der größte Akt ist die Aushändigung der unzählig vielen Schlüssel. Die Vorbesitzerin erklärt mir ca. 27 Stück und ich weiß genau, dass ich keinen einzigen im Kopf behalten werde. Jedes Mal denke ich, ja … probier ich dann halt aus.

Dann kommt der offizielle Teil mit dem Übergabeprotokoll. Bei einem Grundstück dieser Größe, mit einem Haus, zwei Nebengebäuden und etlichen einzuhaltenden Regeln ein Dokument mit genau … einer Seite. Auf dem Blatt stehen drei Eingabefelder für Strom, Wasser und Abwasser. Strom und Wasser lesen wir in Windeseile ab. Beim Abwasser stellen wir alle – oh Wunder – fest, dass sich die biologische Kläranlage autak und selbst verwaltet und es natürlich gar keinen Zähler dafür gibt. Das wars dann.

Ich halte in meiner Hand ein Hausmeister-Bund voller Schlüssel, als der Makler Geschenke aus seinem Wagen holt. Für die Vorbesitzerin einen Sekt und Blumenstrauß. Für uns zum Sekt eine Gartenpflanze. Die Zeichen der Zukunft.

Es ist 12 Uhr und ich stoße noch ohne gefrühstückt zu haben an. Wir stehen noch eine Weile erzählend vor der Garage und ich hoffe auf eine flüssige Verabschiedung. Nichts ist schlimmer, als unangenehm immer wieder aufguckendes Gesuche nach dem letzen Wort. Doch irgendwie kriegen wir es hin und der Makler kündigt sich an, in circa einem Jahr zu schauen, was wir aus dem Ort gemacht haben. Die Vorbesitzerin wünscht uns alles erdenklich Gute und wir sagen ihr, dass sie uns jederzeit besuchen kann. Beide verlassen den Hof und unterhalten sich noch kurz außerhalb des Geländes.

Zuhause

Steff und ich schauen uns in die Augen und wir warten auf DEN Moment. Auf ein Gefühl. Irgend eine Veränderung in uns. Doch nichts passiert. Wir sind zum erstem Mal völlig allein hier. Wir gehen ins Haus und blicken auf den Kaminofen; die Küchenschränke; die Stehlampe, die mal vom Vater der Vorbesitzerin gebaut wurde … nichts davon fühlt sich neu oder fremd an. Ich denke, hier werden wir jetzt leben. 10 Jahre – 20 Jahre – 30 Jahre … keine Ahnung. Dabei kommt mir alles seltsam vertraut vor. Als hätte dieses Haus über 100 Jahre auf uns gewartet. Als wären alle Vorbesitzer eine Art Personal gewesen, das den heutigen Tag lange lange vorbereitet hat. Ich fasse die schrumpellige Tapete im Wohnzimmer an und denke “Guten Tach – wir sind jetzt da!”

Ich nenne dieses Bild “5 Gläser Sekt um 12 Uhr mittags”.

Unerwartete Zitterpartie kurz vor dem Ziel

Mittlerweile liegt der Notartermin etwas mehr als eine Wochen zurück. Da erhalten wir heute ein brand-wichtiges Schreiben von der Kreisverwaltung. Doch dazu kurz zurück in den Sitzungssaal beim Notar. Als er uns damals jedes einzelne Wort des Kaufvertrages vorließt, kommen wir auf Seite 8 an die Stelle, wo es um das “Vorkaufsrecht” geht. Unser Makler empfahl uns, bei jeder für uns nur annährend unverständlichen Stelle das Referat zu unterbrechen. Nun, ich weiß zwar, was ein Vorkaufsrecht ist. Was mir in diesem Moment aber überhaupt nicht klar ist: Für wen überhaupt …? Also sage ich “STOPP!”.

Im Grundbuch war und ist neben der Eigentümerin niemand anderes erwähnt, der oder die – bis auf die Bank natürlich – in irgend einer Weise sonst noch Anspruch auf das Haus oder das Grundstück hätte. Wer kann also in dieser Passage gemeint sein? So ermüdent eine solche Kaufvertragsverlesung ist, so lehrreich ist sie. Der Notar erklärt uns also, und hebt dabei die zusätzliche Einschränkung “gesetzlich …” hervor, dass ein Vorkaufsrecht grundsätzlich gegeben ist und in den meisten Fällen bei der verwaltenden Gemeinde liegt. Also atmen wir alle erstmal auf, denn er führt weiterhin aus, dass dies mehr oder weniger zum Protokoll gehört und es eigentlich noch nie dazu kam, dass ein Bürgermeister oder sonstwie damit befasster Beamter einen Hauskauf kippte, um das Objekt selber zu beziehen.

Da fangen auf einmal meine Synapsden an zu klappern und ich sehe das Haus, tief im Wald, umgeben von nichts. Dann denke ich: Landschaftsschutzgebiet … und ich erinnere mich außerdem an die erste Frage, die uns unsere Kreditvermittlerin zu Anfang stellte: “Kann man dort eigentlich einen ersten Wohnsitz anmelden?”

Der Notar fährt schon längst fort, als ich ihn abermals unterbreche. Ich erzähle ihm erneut von den besonderen Umstäden, unter denen das Haus dort im Wald steht. Da wirkt er zum ersten Mal nachdenklich und formuliert seinen Gedanken, den ich selbst gerade habe. Was wäre denn, wenn der Gemeinde oder gar der Naturschutzbehörde das Haus schon lange ein Dorn im Auge ist und man nun die Gelegenheit sieht, dass Grundstück der Natur zurück zu geben?

Kurze Stille. Der Notar räumt ein, dass das ist in der Tat eine besondere Situation sei. Jeder Grundstücksverkauf muss der Gemeinde gemeldet werden. Im Regelfall kommt jedoch ein paar Tage später die Antwort, dass an einem Vorkaufsrecht kein Interesse besteht. Von dem Moment an began bei uns das Zittern.

Zurück zum Anfang. Heute also bekommen wir ein, nein gleich zwei Schreiben. Eins von der Gemeinde und eins von der zuständigen untergeordneten Naturschutzbehörde des Bundeslandes. Ich kann den ersten Brief gar nicht so schnell lesen, wie ich ihn verstehen will: [Trallali trallala] für dieses Grundstück [tirilo] besteht [dudeldi] kein Vorkaufsrecht nach dem Naturschutzrecht [§ … (es folgt eine Aufzählung diverser Paragraphen, Kostennoten und Rechtsbehelfsbelehrungen)]. Ich lese den Text noch weitere acht bis zehn Mal, in der Angst, die Amtssprache nicht wirklich richtig verstanden zu haben. Doch die Aussage ist eindeutig und gesetzlich verbindlich. Der Lachs ist gelu … Halt, der zweite Brief der Gemeinde. Warte …: Hiermit wird mitgeteilt, dass […| nicht besteht […].

Uns fallen zwei Steine vom Herzen.

Der Notar

Der Notartermin – klingt erstmal sehr ehrwürdig und hoch offiziell. Doch einer meiner ersten Gedanken ist: Was zieht man da an? Der Makler meint: “Kommen Sie nicht nackt, alles andere ist lachs.” (komisches Gedankenprotokoll). In den Tagen vor dem Termin habe ich aber auch noch andere Gedanken. Besonders der Kaufvertragsentwurf lässt mich fast nicht schlafen. Es gibt dort eine Passage, die von der Eigentümerin ausdrücklich gewünscht ist. Die den weiteren Verlauf des Abschlusses etwas speziell macht. Da ist zum Beispiel die Tatsache, dass das Haus bzw. das Dach mal von Holzbock befallen war. Dies wurde fachmännisch behandelt und ist heute keine Thema mehr. Aber bei der Besichtgung war zu keiner Zeit die Rede davon. Nun sollen wir als Erwerber bestätigen, dass wir im Wissen darum sind. Doch auch wenn dies nur eine magniale Note ist – in so einem Moment fühlt man sich etwas ausgeliefert. Wir wollen auf keinen Fall die Verhandlungen stören, doch warum kommt das erst jetzt ans Licht?

Bei dem Notartermin gibt die Eigentümerin an, dass man die Stelle auf dem Dachstuhl hätte sehen können. Doch der Makler hatte angeblich vergessen, uns darauf aufmerksam zu machen. Ich meine, ich habe bei der Besichtigung – gemessen an der engen Deckenfläche im Giebel – nicht mal erkannt, dass es überhaupt einen Zugang zum Dachstuhl gibt. Nun, sei es drum. Und Holzbock hört sich jetzt auch nicht so schlimm an, wie hingegen Holzschwamm, den man zumindest beim Betrachten der rückseitigen Abseiten ausschließen konnte.

Gemeinsame Sache – Steff und ich unterschreiben den Kaufvertragsentwurf.

Nackte Füße

Zurück zum aller ersten Klamotten-Gedanken. Mir ist natürlich klar, dass dieser Termin ein besonderer ist, den man ähnlich bei einer Heirat mit durchaus feierlicher Kleidung untermalen sollte. Doch am 16. Juni 2021 haben wir den ersten heißen Tag des Jahres. An die 30 Grad pumpen, als wir uns auf den Weg in die Kanzlei machen. In den Stunden zuvor war ich noch in einen kurzen, engen Sweathose unterwegs. Als ich in meine lange Stretchjeans steige – die einzige Hose, die mir zurzeit am angenehmsten passt – kleben meine schwitzigen Beine in der Röhre. Dazu eins meiner weitestens T-Shirts, das ausgerechnet tief schwarz sein muss. Wir sitzten alle zusammen in dem großen Sitzungssaal und ich bin froh, dass der lange breite Tisch nicht aus Glas ist. Denn mir fällt auf, dass meine nackten Füße in meinen Birkies an diesem Tag überhaupt nicht gut aussehen. Niemand bekommt es also mit – denke ich.

Da wir zeitgleich zu diesem Blog auch eine recht umfangreiche Videostory prodzieren, kommt Steff auf die Idee, eine Szene zu drehen, wie wir aus dem Bürogebäude spazieren. Ich platziere also die Kamera ganz “drive-by”-mäßig auf den Stufen vor dem Eingangsportal und wir kommen Hand in Hand aus dem Gebäude. Wir halten kurz an und sagen unseren Text, bevor wir an der Kamera vorbei aus dem Bild gehen. Als ich die Aufnahme sehe, wird mir ganz schlecht. Mein Objektiv ist zu weitwinkelig, als das es unsere Füße abgeschnitten hätte. Achtet mal drauf, wenn voraussichtlich ab August unsere Homestory auf Youtube läuft 😀

Der lange Weg zum schnellen Geld

Ich habe in meinem Leben schon einige Kredite abgeschlossen, habe drei Mal ein Auto finanziert. Doch ich habe noch nie ein Haus gekauft. Dass das eine dicke Nummer wird, war mir von Anfang an klar. Wie es am Ende dann aber tatsächlich ablief, lies mich doch staunen.

Natürlich kann man versuchen, das alle alleine auf die Beine zu stellen. Doch die Expertise eines Kreditvermittlers kann sich in vielen Punkten als äußerst hilfreich erweisen. Wenn dann der Vermittler auch noch eine sehr gute Freundin ist, fühlt man sich in Sachen Vertrauen bestens aufgehoben.

Also starteten wir bereits vor der Besichtigung mit den ersten Auswertungen unserer Finanzkraft und fingen an, exakt vorgegebene Unterlagen zusammenzustellen. Jetzt mag sich der eine oder die andere die Haare raufen und denken “… erst vor der Besichtigung gestartet …? – Sowas hat man bereits in der Tasche, noch bevor man sich überhaupt eine Immobilienanzeige anschaut!” Dazu kann ich nur sagen: “Öhhh …” Ich bin nur teil- und zeitweise strukturiert und erledige Dinge oft erst dann, wenn sie auch wirklich, wirklich wichtig werden. Aber mit Hilfe und nach Aussage unserer Vermittlerin lagen wir auf jeden Fall noch gut in der Zeit.

ING-Diba oder Deutsche Bank

Aber wie läuft das nun genau ab – haben wir doch zuvor immer schonmal mit Phantasiewerten gerechnet. Eine gute 6-stellige Summe sollte her und laut unserer Einkünfte und weiterer Umstände sollte dies nicht unmöglich sein. Zwei Banken haben sich von Anfang an als deutliche Optionen herausgestellt. Die ING-Diba und die Deutsche Bank. Beide sind bekannt dafür, auch Selbständigen keine Steine in den Weg zu legen. Anders aber als bei der Deutschen Bank ist bei der ING-Diba eine externe Kreditprüfung vorgeschaltet. Das kann ein Vorteil in der Bearbeitung sein und zu einer schnelleren Abwicklung führen. Das gefiel mir und die Zinsen waren obendrein auch noch besser. Doch ohne unsere Vermittlerin hätte ich davon überhaupt nichts mitbekommen. So thankxlot!

Dann ging es also los und schlechter hätte exakt dieser Moment nicht sein können. Von Steff brauchten wir natürlich die letzten Gehaltsabrechnungen, doch sie war gerade am Ende ihrer zweijährigen Elternzeit angelangt. Und der neue Wiedereinstellungsvertrag bei ihrem alten Arbeitgeber war zwar schon da, aber nicht so ganz richtig. Also warteten wir auf die Korrektur, von der wir anfangs aber befürchteten, dass es sie gar nicht geben würde. Tatsächlich kam der korrigierte Vertrag genau einen Tag bevor wir die Unterlagen einreichen mussten an. Zu dieser Zeit hatten wir die Eigentümerin bereits längst kennengelernt. Doch die Bekanntgabe der Finanzierungbestätigung mussten wir ein ums andere mal aufschieben.

Steuerberater sagt genau im falschen Moment Tschau!

Und bei mir so …: In den Tagen bevor wir auf das Haus aufmerksam geworden sind, kündigt mir mein Steuerberater nach 20 Jahren wegen Überkapazität die Zusammenarbeit. So bin ich also gezwungen innerhalb von … sofort einen neuen zu finden, der meinen aktuellen Wirtschaftsstand umgehend erfasst, versteht und mir in zertifizierte Abschlüsse und BWAs umwandelt. Darüberhinaus benötige ich von meinem alten Steuerberater den bereits angefangenen Abschluss 2019 sowie zwei fertige Abschlüsse aus den Jahren davor. Alles in allem in so kurzer Zeit eine safe unlösbare Angelegenheit. Und immer hatte ich dabei den Satz der Eigentümerin im Ohr “Also dann ist das heutige Ergebnis, dass überhaupt nichts feststeht …?!” So verabschiedete sie uns bei dem damaligen Kennlerntermin, der mittlerweile schon zwei Wochen zurück lag. Als mich dann auch noch der Makler insgeheim informierte, dass die Eigentürmrin ihn schon um die Reaktivierung der anderen Bewerber bat, wurde mir immer flauer im Magen.

Irgendwann hatte ich dann alles zusammen und es kam der Tag, an dem wir all unsere Unterlagen in die Kreditprüfung gaben. Von jetzt an sollte alles recht schnell gehen. Doch “die Ampel” sprang plötzlich von Grün auf Gelb. Was war geschehen? Nach unserer Checkliste hatten wir an alles gedacht und in Punkto Eingenkapitalquellen eigentlich sogar mehr eingereicht, als notwendig. Jedoch hatte die ING-Diba zwischenzeitlich ihre Kredit-Voraussetzungen geändert und somit fehlten jetzt die voraussichtlichen Rentenkapazitäten. Das war zwar nicht schön, aber in meinem gewaltigen Eifer hatte ich schon ganz zu Anfang an diese Dokumente gedacht.

Der Notartermin steht bereits fest

Es fiel mir also leicht, die gewünschten Zusätze schnell zu liefern. Doch es vergingen erneut Tage, die wir uns unter anderen Umständen hätten sparen können. Ein weiteres Mal sprang der Makler für uns in die Bresche und beruhigte die Eigentümerin auf seine ganz spezielle Art. Er avisierte bereits den Notartermin auf den 16. Juni 2021, ohne das wir in diesem Moment eine verbindliche Finanzierungsbestätigung hatten. Diese blieb nämlich ein ums andere mal aus, weil selbst die voll automatisierte Datenübermittlung an die ING-Diba nicht funktionieren wollte. Nachdem nämlich “die Ampel” wieder auf Grün sprang, mussten unsere Daten – und das geschah wahrscheinlich zum ersten mal in der Geschichte – “manuell” übertragen werden. Das verhinderte, dass uns eine Art Übertragungs-Zertifikat ausgestellt wurde, welches als Finanzierungsbestätigung gelten würde.

Am 10. Juni 2021 kam dann endlich der Anruf, die Vertragsunteralgen seinen per Post auf dem Weg zu uns. Und tatsächlich. Heute, zwei Tage später erhalten wir eine dicke Mappe mit Papieren von hier bis Meppen.

Der Tag, an dem die Finanzierungsbestätigung ankam.
Von jetzt an gibt es bei uns nur noch Alkohol-Sprizz.

Sekt am Montagmorgen

In der Vergangenheit lief es immer so: Die Häuser, die wir wollten, haben wir nicht bekommen. Die Häuser, die wir hätten bekommen können, wollten wir nicht haben. Ganz einfaches Schema, was uns aber nie glücklich machen konnte.

In den Tagen nach der Besichtigung haben wir vor Aufregung nicht mehr schlafen können. Wie oft zuvor hatten wir in dieser kurzen, mehr als vagen Phase schon so machen Verwandten und Freunden von dem kleinen Häusschen erzählt. Doch anders als sonst fühlte es sich nicht falsch an. Dieser Ort war zu besonders, als dass man nicht gern von ihm erzählen wollte. Steff war zudem so schlau, die Bilder in der kurzen Zeit, in der die Anzeige online war zu speichern. Jeder, der sie sah, war völlig verzaubert und machte immer den gleichen Kommentar: “Aber die Farbe ist echt krass … Giftgrün!?!”

Als ich dann heute Morgen – zwei Tage nach der Besichtigung – bei einem Verklebetermin gerade das Logo auf die Eingangstür des neuen Cafes einer Bekannten kleben will, klingelt mein Telefon. An der Stimme erkenne ich sofort, dass es der Makler ist und ich friere urplötzlich – Rakel und Folienplott haltend – ein. An seiner Stimme höre ich, dass er mir etwas erfreuliches erzählen will.

“Herr Schneider, nachdem ich mich mit der Eigentürmerin besprochen habe, waren wir uns einig, dass wir es mit ihnen versuchen wollen. Ich lasse ihnen jetzt ein paar Unterlagen für ihre Finanzierung zukommen und dann machen wir recht bald einen Termin, an dem sie die Eigentümerin kennenlernen werden.” … Ende aus Micky Maus. Ich klebe das Logo gerade noch so an die Tür und gehe rein zu Steff, die drinnen auf mich wartet. Sie und die Besitzerin gucken mich an. “Was ist?” Ich sage, dass das gerade der Makler war. “UND …??!” … “Wir kriegen das Haus!”

Zwei Originalaufnahmen 🙂

Steff schreit vor Freude. Unsere Bekannte öffnet einen Sekt. Es ist 10 Uhr Montagmorgen. Es wird getrunken und geweint.

Die Besichtigung – 8 von 61

Knapp 1.500 Aufrufe in 30 Minuten. 61 Anfragen über die Immoscout-Seite. 8 Besichtigungen auf zwei Tage verteilt. Der Makler hat Wort gehalten und lädt uns als letzten von 8 Terminen zur Besichtigung ein.

In den Tagen bis zur Besichtigung versuche ich mit Google Maps eine Vorstellung von den Außmaßen des Grundstücks zu bekommen. Und ich bin einfach überwältigt. Im Verhältnis zu den eingezeichneten Grenzen ist das Haus winzig und der eigene Wald RIESIG. Als wir es gar nicht mehr aushalten können, fahren wir in die Nähe der Adresse und spazieren durch den Wald. Aufgrund meiner Satelitten Recherche weiß ich ziemlich genau, wo sich das Haus befinden muss. Doch obwohl der Wald zu dieser Jahreszeit noch nicht in voller Blüte steht, kann man durch die Bäume hindurch nichts erkennen. Zudem ist es recht hügelig, was sich in der Anzeige gar nicht erkennen ließ.

Grundstückgröße
Meine Vorstellung von der Grundsstückform, die ich durch Drüberlegen der Flurkarte dachte zu erkennen. Tatsächlich verlaufen die Grenzen allerdings etwas anders.

Als wir an dem Privatweg ankommen, biegt dort ein Fußgängerpärchen ein. Wir werden ganz nervös. Wir wissen, dass die Eigentümerin nicht will, dass man vor der Besichtigung an dem Grundstück erscheint. Zu heilig ist ihr dieser Ort. Waren das nun ebenfalls Interessenten, die sich gerade auf den Weg zu eben genau diesem machen? Bingo, dann sind die schonmal aus dem Rennen. … Oder war es vielleicht sogar die Eigentümerin, die uns neugierig umherirrenden Großstädtern ausgerechnet jetzt über den Weg läuft? Bingo, dann sind wir selbst schonmal aus dem Rennen.

Der Ort strahlt eine wohlige Energie aus.

Eine Woche später machen wir uns nun offiziell und mit Erlaubnis auf den Weg zum Haus. Gestern haben wir erfahren, dass ein Interessent bereits abgesagt hat und wir sind somit eine Stunde früher dran. Auf der Straße entlang des Waldes beginnen wir mit unserer ersten Videoaufnahme. Diese würde, sollte das alles hier positiv für uns ausgehen, der Anfang einer groß angelegten Youtube-Haussanierungs-Heimwerkerking-Story sein.

Als wir mit dem Wagen über den Waldboden fahren, befinden wir uns urplötzlich in einer ganz anderen Welt. Ich habe mir den Weg mit einer deutlichen Fahrspur auf einem verfestigten Untergrund vorgestellt. But not! Man kann vor Laub kaum eine Richtung erkennen. Der Wagen wird durch hochstehende Wurzeln und tiefe Löcher von links nach rechts geschaukelt. Nach gefühlten 5 Minuten Schritttempofahrt taucht vor uns eine dichter als die anderen Bäume stehende Tannengruppe auf. Durch die Zweige blitzt hier und da das leuchtend grüne Haus auf. Links an den Tannen vorbei kann man in das abschüssige Grundstück schauen und sieht einen der Schuppen. Wir parken vor der Hofeinfahrt und steigen schüchtern aus. Sofort umgibt uns eine “Wohlfühl-Energie”, die man aus dem Urlaub kennt, wenn man an nichts anderes denkt außer an: schön!

Der Makler ist gerade noch mit den Bewerbern vor uns beschäftigt und zeigt uns an, an dem Garagenschuppen zu warten. Ich schaukle nervös von einem aufs andere Bein und schau mir verblüfft die Umgebung an. Steff und ich gucken uns an und beginnen synchron vor Glück innerlich zu weinen. Der Bereich, den wir von hier aus sehen können scheint nicht mal 1/5 der gesamten Fläche zu sein. Und ich bekomme fast schon Angst, den Anblick der anderen 4/5 vor Rührung nicht zu verkraften.

Das Pärchen vor uns verabschiedet sich und der Makler wendet sich uns endlich zu. Als erstes sagt er uns, dass die Eigentümerin aus emotionalen Gründen bei dieser und den anderen Besichtungungen nicht dabei ist. Sie hat 16 Jahre an diesem Ort gelebt und verlässt ihn nur sehr schweren Herzens. Ich kann das in diesem Moment mehr als verstehen.

Die Hofeinfahrt mit Blick in das Grundstück. Vor der Hecke am Ende geht es
links zum Haus und rechts zum Garagenschuppen.

Die heimelige Schönheit dieses Ortes ist nur schwer zu ertragen.

Zuerst gehen wir über das Grundstück, was einfach nicht mehr aufhören will. Vorbei an kleinen Sitzecken, wild angelegten Pflanzengruppen, den Hügel hinunter auf einen deutlich dichter mit Bäumen bewachsenen Bereich. Hier ist es teilweise sogar so steil, dass man im Winter eine richtige Rodelbahn hat. Generell besteht das Grundstück zu einer Hälfte aus dichterem Mischwald. Die andere ersteckt sich über eine Lichtung, auf der sich das Haus, die Schuppen und eine äußerst großzügige Rasenfläsche befinden. Der Schuppen im hinteren Bereich ist in drei Kammern unterteilt. In der einen befindet sich sogar eine Stallung für eine Ziege oder Hühner. Steffs Gedanken fahren Autoscooter und ihre Augen funkeln wie an Weihnachten.

Die Lichtung vom hinteren Bereich des Grundstückes aus. Rechts steht
der Schuppen mit der Stallung.

Als wir in das Haus treten fällt mir sofort auf, dass die Fotos mit einem guten Weitwinkel geschossen sein mussten. Es ist und fühlt sich deutlich kleiner an, als gedacht. Es gibt keine wirklich offenen Stellen und in die Küche führen sogar VIER Türen. Ein neuwertiger Kamin steht neben der Tür zum Wohnzimmer. Doch aufgrund der Nähe zur Küche wäre dieser Raum besser als Esszimmer geeignet. Das relativ kleine WC hat ein zugeplanktes Fenster. Und das Bad ist aufgrund der Lage im Anbau nur sehr umständlich über die Küche zu erreichen. Es gibt auch einen (einzigen) Kellerraum. Der ist aber so eng, flach und klein … wollte man z.B. eine Kühltruhe hier unter bringen, müsste die hölzerne Kellertreppe demontieren werden, um die Truhe nach unten zu schaffen.

Ein idyllischer Balkon als i-Punkt auf dem i-Punkt

Im Obergeschoss tut sich dann ein übermäßig großes Schlafzimmer auf, das über einen an Idylle nicht zu übertreffenden Balkon verfügt. Ich meine, stell dich am Morgen im Bademantel auf einen nach südosten ausgerichteten Balkon. Schmecke die Waldluft und schau in das dich von allen Seiten umgebende Grün … wie kann sich dieser Gedanke nicht idyllisch anfühlen?! Sogar eine Gaube ist hier zu finden, die nochmal ordentlich Platz schafft, neben all den sonstigen Schrägen.

Es gibt dann noch ein Kinderzimmer und eine begehbare Abseite, die wohl als Dachboden-Ersatz gedient hat. Doch das war es dann auch schon. Alles in allem knapp 90 Quadratmeter – wie es zumindest im Expose stand. Dies sollte sich später nach eigener Vermessung noch deutlich reduzieren.

Als wir mit dem Rundgang durch sind, setzen wir uns zwischen zwei kleinen Teichen draußen in die so genannte Frühstucksecke. Allein dafür kann man sich schon in diesen Ort verlieben – eine dicke Eichenbankgarnitur, wie aus dem Snowboardurlaub in den Alpen. Ich hole meinen Zettel hervor und suche nach offenen Fragen. Doch ich stelle fest, der Makler hat während der Besichtigung bereits alle von mit notierten Big-Points beantwortet. Trotzdem lasse ich noch kurz raushängen, dass ich mich bereits im Vorfeld mit dem zuständigen Bauaufsichtsamt unterhalten habe. Doch ich begehe nicht meinen Lieblingfsfehler, in wirres Gefasele zu verfallen, nur um ein Gespräch am laufen zu halten. Dem Makler, dem wir sowieso aufgrund seiner lockeren Art irgendwie sympatisch zu sein scheinen, gefällt das sehr gut. Alles in allem verlief dieser Termin so perfekt, wie es nur sein konnte.

Wir haben ein gutes Gefühl

Am Ende überreichen wir dem Makler einen kleinen Blumenstrauß, den wir extra für die Eigentümerin mitgebracht hatten. Da sie aber nun nicht anwesend war, wollte er ihn ihr direkt im Anschluss überreichen. Denn er wollte sich schon in der nächsten Stunde mit ihr zur Auswertung der sieben Besichtigungen treffen. BÄM, unsere Blumen würden dabei auf ihrem Tisch stehen. Und nicht nur das. Als wir aus der Hofeinfahrt kommen, steht die Eigentürmerin bereits in ihrem Auto wartend zischen den Bäumen. Sie sieht zu, wie wir unsere kleine Tochter in den Wagen heben. Als sie kurz darauf an uns vorbei fährt, winken wir uns kurz zu. Ich starte den Wagen und fahre langsam wieder über den Privatweg rauf zur Straße. In diesem Moment überkommt uns ein unfassbar tiefes Gefühl demütiger Freude und Steff und ich fangen an zu weinen.

Die Anzeige bei Immoscout

Steff hat heute ihren Arbeitstag in meiner Firma und macht gerade die Buchhaltung. Auf einmal brüllt sie durch den Raum: “Mike, guck dir das an … die Anzeige bei Immoscout … ein richtiges Hexenhaus … so habe ich mir das immer vorgestellt!” Zu diesem Zeitpunkt sind wir bereits seit gut einem halben Jahr dabei, uns immer mal wieder nach einem Haus mit Garten umzusehen, doch nichts konnte oder wollte bis jetzt passen.

Haus mit Garten
Dies ist das Titelbild der Anzeige. Der erste Eindruck: GRÜN! Später erfahren wir, dass das Haus erst vor zwei Jahren so gestrichen wurde. Davor war es einfach weiß.

Ich schaue mir die Immobilie an und lese nur: 6.538 Quadratmeter!!! … Whuuuaat??! Und dann: Das ganze liegt in einem Wald und ist über einen ca. 300 Meter langen Privatweg zu erreichen – ein kleines Haus mit zwei kleinen Nebengebäuden – Landschaftschutzgebiet. Noch eh ich die ersten Bilder so richtig anschauen kann, dreht Steff völlig durch.

“RUF – DA – SOFORT – AN – !”

Normalerweise habe ich für Anfragen immer ein Anschreiben parat, was ich über die Kontaktfunktion der Anzeige an den Makler schicke. Doch dieses Mal soll es ein bisschen schneller gehen. Ich greife zum Telefon.

Anscheinend bin ich der erste Anrufer. Der Makler – eigentlich ein Vertriebsmitarbeiter der Postbank Immobilien – wundert sich, dass ich gefühlte 10 Sekunden nach Anzeigenschaltung bereits in seiner Leitung hänge. Ich erkläre, dass das sonst nicht meine Art ist, aber in diesem Fall wollten wir auf Nummer Sicher gehen. Doch er ist super entspannt und gibt mir die ersten besonderen Eckdaten durch: das Haus steht in einem Landschaftsschutzgebiet; die Mülltonnen müssen 300 Meter durch den Wald an die Straße gezogen werden; im Eingangsbereich gibt es eine feuchte Stelle … doch ich denke immer nur sechstausend-fünfhundert-achtunddreißig Quadratmeter …!

Wir verabschieden uns und er verspricht mir, dass er uns in die Runde der Bewerber um eine Besichtigung mit aufnimmt. Eine halbe Stunde später ist die Anzeige nicht mehr online.